VDI 2077 (Rohrwärme)

Umgang mit
Rohrwärme

Ein immer wiederkehrendes Problem bei der Heizkostenabrechnung sind ungemessene Rohrwärmeanteile. Insbesondere bei Einrohrheizungsanlagen können hohe Anteile an Rohrwärme zu erheblichen Kostenspreizungen zwischen Verbrauchertypen führen. Wir erläutern Ihnen die Problematik der ungemessenen Rohrwärme, die Grenzwerte der VDI 2077 sowie deren Wirkungsweise bei der Anwendung.

Die Anwendbarkeit wurde durch das BGH-Urteil aus 2017 eingeschränkt.
Nähere Informationen hierzu erhalten Sie bei Ihrem Delta-t Partner.

Einführung:

Durch den vermehrten Einsatz von elektronischen Heizkostenverteilern ist die Problematik der ungemessenen Wärme zunehmend in den Fokus gerückt. Hohe Anteile an Rohrwärme, insbesondere bei Einrohrheizungsanlagen, verursachen als unerfasste Nutzwärme teilweise erhebliche Kostenspreizungen zwischen den Verbrauchertypen Viel- und Niedrigverbraucher.

Nachdem hier in wachsendem Maße Verzerrungen der Abrechnungsergebnisse festgestellt worden sind, hat der Gesetzgeber inzwischen auf diese Entwicklung reagiert.

Mit der Novellierung der Heizkostenverordnung von 2009 wurde die Grundlage für eine rechtskonforme Abrechnung „nach anerkannter Regel der Technik“ geschaffen. Diese Passage zielt, wie in der Erläuterung der HKVO beschrieben, speziell auf die Anwendung der VDI 2077 (Bilanzverfahren).

Gegenüber der bisherigen Regelung wird hier ein völlig neuer Rechenweg beschrieben, der den ungemessenen Rohrwärmeanteil berücksichtigt und die entsprechenden Kosten in geeigneter Weise auf alle beteiligten Nutzer aufteilt.

Betroffen von dieser Neuregelung sind alle Abrechnungsobjekte mit elektronischen Heizkostenverteilern in denen gewisse kritische Kenndaten erfüllt sind.

Delta-t überprüft im Rahmen der jährlichen Abrechnung die Anwendungsgrenzen und weist den Verwalter bei Auffälligkeiten auf die Möglichkeit der Anwendung der VDI 2077 hin.

Die Entscheidung nach welcher Methode letztlich abgerechnet werden soll, obliegt dem / den Eigentümer/n.

Im Folgenden sollen die Problematik der ungemessenen Rohrwärme, die Grenzwerte der VDI 2077 sowie deren Wirkungsweise bei der Anwendung kurz erläutert werden.

Die exakte Beschreibung der Richtlinie inklusive aller Rechenschritte kann beim Verein Deutscher Ingenieure über den Beuth-Verlag oder übers Internet bezogen werden.

Anwendungsgrenzen:

Nachfolgende Kriterien müssen zur Anwendung der VDI 2077 alle erfüllt sein:

1. Verbrauchswärmeanteil / Erfassungsrate

Der Anteil der auf den Heizkostenverteilern abgebildeten Wärme an der gesamten Heizwärme muss kleiner sein als 34 % (kritischer Verbrauchswärmeanteil) -> hoher Rohrwärmeanteil

Berechnung: erfasste Wärme / Heizwärme

2. Standardabweichung

Die Standardabweichung beschreibt die Abweichung des Verbrauches der beteiligten Nutzer vom statistischen Mittelwert der gesamten Liegenschaft. Dabei ist unerheblich ob diese nach oben oder nach unten ausschlägt. Entscheidend ist nur die relative Abweichung von der Mitte.

Als kritische Größe wurde hier der Wert mindestens 85% festgelegt.

Die Standardabweichung ist damit eine liegenschaftsspezifische Kennzahl.

Dabei spielt der Begriff des Verbrauchsfaktors eine wichtige Rolle. Dieser gibt an, um das „wie vielfache“ der Verbrauch eines einzelnen Nutzers vom rechnerischen Durchschnitt der Liegenschaft abweicht.

Hierfür wird ermittelt wie viele Verbrauchseinheiten im Schnitt je Quadratmeter beheizte Nutzfläche erfasst wurden. Für einen Nutzer mit doppelt so hohem Wärmebedarf wie der Durchschnitt im Haus ergibt sich somit der Verbrauchsfaktor 2.

Der Verbrauchsfaktor ist eine nutzerspezifische Kennzahl.

3. Anteil Niedrigverbraucher

Als drittes Merkmal kritischer Anlagen ist ein relativ hoher Anteil an extremen Niedrigverbrauchern. In diese Kategorie fallen Nutzer, deren Anteil am gemessenen Wärmeverbrauch unter 15% des Durchschnitts liegt, der Verbrauchsfaktor also kleiner 0,15 ist. Für die Anwendung von VDI 2077 muss diese Bedingung auf mindestens 15 % der Nutzeinheiten zutreffen.

Auswirkung auf die Verbraucher:

Die Anwendung der VDI 2077 hat auf die unterschiedlichen „Verbrauchertypen“ völlig verschiedene Auswirkungen. Grundsätzlich wird die unangemessene Kostenspreizung zwischen benachteiligtem „Vielverbraucher“ und vom Heizungssystem profitierenden „Wenigverbraucher“ relativiert. Auf Nutzer mit durchschnittlichen Erfassungswerten hat die Änderung des Verfahrens keinen Einfluss.

Auswirkung des Rohrwärmeanteils auf Nutzer

Bleibt ein relativ hoher Rohrwärmeanteil unberücksichtigt, führt er zu massiver Spreizung der Verbrauchswerte. Das gilt vor allem in Anlagen, in denen einzelne Wohnungen unterschiedlich beeinflusst werden. Oft profitieren einige Wohnungen von der Rohrwärme und müssen kaum zuheizen (Nutzer 1). Andere müssen, etwa bedingt durch Lagenachteile, regulär heizen (Nutzer 3) und werden dadurch unangemessen belastet.

Berücksichtigung des Rohrwärmeanteils

Der in der Liegenschaft zu berücksichtigende Rohrwärmeanteil wird nach dem Bilanzverfahren ermittelt. Es erfolgt dann die Rückrechnung in entsprechende Erfassungseinheiten und deren Verteilung nach Wohnfläche auf die beteiligten Nutzer.

Veränderte Verteilung durch VDI 2077

Die extrem unterschiedliche Belastung der Wenig- und Vielverbraucher wird durch die VDI 2077 relativiert. Dabei werden die Vielverbraucher entlastet, die Wenigverbraucher stärker beteiligt. Damit wird der unplausible Verzerrung der Abrechnung durch den hohen ungemessenen Anteil an Wärme entgegen gewirkt. Für Nutzer mit durchschnittlichem Verbrauchsanteil hat die veränderte Abrechnungsmethode keinerlei Auswirkung.

Wirkungsweise des Bilanzverfahrens:

Mit einem Hilfsverfahren werden der unerfassten Rohrwärme fiktive Verbrauchseinheiten zugeordnet:

„Auffüllen“ der Erfassungsgeräte zur Plausibilitätsgrenze

Ist die kritische Erfassungsrate unterschritten, wird rechnerisch ermittelt, wie viele Einheiten zum erreichen der Korrektur-Erfassungsrate (Plausibilitätsgrenze) zusätzlich aufgelaufen sein müssten.

Beispiel:

Erfassungsrate kritisch 34 %
Erfassungsrate tatsächlich 30 %
Korrektur-Erfassungsgeräte 43 %

Ermittlung der Korrektur-Einheiten

Nach oben beschriebener Methode lässt sich die nicht erfasste Rohrwärme in Verbrauchseinheiten ausdrücken. Die somit ermittelten zusätzlichen Einheiten werden nun anteilig auf alle Nutzer der Anlage verteilt. Da dieser Rohrwärmenteil nicht verbrauchsabhängig bestimmt werden kann, dient als Ersatz-Verteilschlüssel die beheizte Nutzfläche. Dies gilt ausschließlich für die als Differenz zwischen der tatsächlichen und der Korrektur-Erfassungsrate rechnerisch ermittelten Einheiten!

Auswirkung auf die Nutzer

Zusätzlich zu den auf den Heizkostenverteilern tatsächlich abgebildeten Wärmeeinheiten werden die oben ermittelten „Ersatzeinheiten“ für den Rohrwärmeanteil in der Abrechnung berücksichtigt. Dafür bekommt jede Nutzeinheit einen zusätzlichen fiktiven Heizkörper ausgewiesen, dem der entsprechende Anteil zugeordnet wird. Die zusätzlichen Erfassungswerte senken den Preis je Einheit in der gesamten Liegenschaft. Die Kosten werden gleichmäßiger verteilt.